Balsamische Kraft schreibt man der Angelica archangelica zu, wie die Engelwurzel auch genannt wird. Die…
Heilen mit Biss
Blutegeltherapie – Kein Ekel vor dem Egel
Schon die alten Ägypter setzten auf Blutegel, nachdem sie beobachteten wie sich verletzte Tiere in Flüsse stellten und die kleinen Blutsauger ihre Arbeit machen ließen. Auch in Indien und China zog der Egel siegreich ein. So hält zum Beispiel Dhanvantari, die Gottheit der traditionellen indischen Heilkunst -des Ayurveda, einen Blutegel in einer seiner vier Hände. Im Mittelalter erlebte Europa einen regelrechten “Egelboom”. 1854 wurden allein in Frankreich 57 Millionen Egel verbraucht. Trotz überlieferter Behandlungserfolge wurden die kleinen Vampire dennoch in den Hintergrund gedrängt auch weil er nahezu ausgerottet war. Wahrscheinlich hatten Patienten lange Zeit genug vom blutigen Behandeln. Verständlich, denn manche Heiler übertrieben die Behandlung und setzten in kurzen Abständen mehr als 100 Egel pro Patient ein. Ähnlich wie der Aderlaß entstand aus einem guten Heilmittel im Übermaß eine Totbringendes.
Heute fühlt sich der Blutegel in einer der besten Blutegel-Zuchtfarm im hessischen Bieberthal wohl.
Ich selbst lernte die kleinen Helferlein während meiner Ausbildung an der hessischen Heilpraktikerschule kennen. Von Anfang an war ich begeistert – auch Dank unserer tollen Dozentin, die uns alle Scheu nahm und die Egel schon fast wie richtige „Kollegen“ vorstellte. Viele meiner Patientinnen sind (noch) skeptisch, ich verstehe das, aber Vielen leisten die Egel sehr gute Dienste.
Die deutsche Übersetzung Egel stammt auch nicht von „Ekel“ ab, sondern vielmehr vom griechischen Echis „kleine Schlange“. Während einer Mahlzeit verschlingt der Kleine rund 15 – 40 Milliliter Blut und versiebenfacht seine Größe dabei. Er lockert sich selbst, wenn er satt ist und kann mit dieser Mahlzeit weitere zwei Jahre leben ohne weitere Nahrung zu sich zu nehmen. Wenn er seine Arbeit verrichtet hat, kommt er zurück in den s.g. Rentnerteich der Zuchtfarm, denn gemäß des Infektionsschutzgesetzes ist nur die einmalige Therapie erlaubt. Bevor der Blutegel seine Therapie beginnen kann, muss er allerdings ein paar Monate hungern, damit er auch gleich „bissig“ ans Werk geht.
Und das ist er nun. Darf ich vorstellen: Hirudo medicinalis hat zwei Saugnäpfe, fünf Augenpaare und 300 Sägezähnchen und lebt wohl schon mehr als 650 Millionen Jahre auf der Erde. Er gehört zu der Gattung der Ringelwürmer.
Wertvolle Inhaltsstoffe des Speichelsekrets sind mittlerweile auch wissenschaftlich analysiert. Obwohl noch nicht alle erforscht sind, kann man heute sagen:
- Hirudin: wirkt lokal gerinnungs- und entzündungshemmend
- Egline: wirken entzündungshemmed
- Hyaluronidase: wirkt lokal gefäßerweiternd
- Destabilase: löst Blutgerinnsel auf
- Calin: wirkt im ganzen Körper blutgerinnungshemmend
- Prostaglandine: wirken schmerzlindernd
- Kollagenase: können Stoffwechselvorgänge blockieren und so u.a. Gelenkbeschwerden bei Arthrose lindern
- Und so weiter und so fort
Während früher der Einsatz bei venösen Erkrankungen (Krampfadern, Venenentzündung, Hämorrhoiden und offene Beine) im Vordergrund stand, werden die kleinen Helferlein in der Praxis noch vielfältiger eingesetzt:
- Gelenkentzündungen (Tennisellenbogen, Sehnenscheide, Schleimbeutel etc.)
- Rheuma, Gicht und Arthrose
- Migräne
- Schwindel
- Tinnitus und andere Ohrenerkrankungen
- Bluthochdruck (ein kleiner Aderlass, auch in der Menopause als Entgiftung)
- Entzündungen und Neuralgien
- Leberentgiftung
- Eierstockzysten
- Schlecht heilende Wunden
- Lymphabfluss
Besonders interessant: Verklebungen von Körperhohlräumen (Harnröhre, Eileiter, etc.), die nach operativen Eingriffen, einer Eileiterschwangerschaft und/oder Entzündungen, entstanden, oder auch kleinste Blutgerinnsel (Mikro-Thromben) können durch bestimmte Wirksubstanzen im Egelspeichel aufgelöst werden.
Mikrochirurgen nutzen nach schweren Unfällen Blutegel als Helfer bei der Retransplantation abgetrennter Körperteile. Auch das naturheilkundlich orientierte Krankenhaus Essen-Mitte schätzt die Erfolge bei Arthrose-Patienten.
So ein Biss tut auch fast nicht weh, einer kleiner Picks und sofort, fürsorglich wie er ist, spitzt er mit seinen winzigen Drüsen ein Betäubungsmittel in die Wunde. Die meisten beschreiben das „Beißen“ wie ein Prickeln. Saugbewegungen bestätigen den erfolgreichen Biss. Er hinterlässt ein kleine Y-förmige Wunde – sein Markenzeichen – die drei Kiefer.
Wenn Sie mehr über eine Behandlung, den Ablauf, die Vorbereitungen und möglichen Indikationen bzw. Nebenwirkungen sowie Kosten wissen möchten, schreiben Sie mir.
Ich führe die Behandlung grundsätzlich bei Ihnen zu Hause durch, da Sie danach eine Ruhezeit benötigen, um die Wunde ausbluten zu lassen. Die Behandlungszeit richtet sich nach den Vorgaben des Egels – ich bleibe solange, wie er arbeitet und versorge danach die Wunde. Ein Folgetermine zur Prüfung der Wunden ist selbstverständlich.
Lachen Sie nun bitte nicht: Egel sind sehr sensibel und müssen sich dem Patienten erst annähern. Die Therapie braucht Zeit und ein wenig Geduld. Für den Egel ist es eine immense Anstrengung, so dass er sich auch zwischendurch eine kleine Verschnaufpause gönnt. Sein ganzer Körper ist an dem Saugvorgang beteiligt. Er behält letztendlich nur die Blutkörperchen und „schwitzt“ das wasserklare Plasma über den Körper wieder aus. Und Parfüm und Rauch mögen sie gar nicht 😉
„Wir“ freuen uns auf Sie.
Bildquellen: Bieberthaler Blutegelzucht/ ARD: W-wie Wissen
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